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Störungen bei Blechbläsern / Osteopathie

Nervus facialis als Ursache von Ansatzstörungen? Hilfe möglich?

 

von Hans-Jürgen Von der Wöste
In diesem Beitrag soll das Thema “Störungen bei Bläsern“ mit der Osteopathie in Verbindung gebracht werden. Anders als bei der „Ansatzdystonie bei Bläsern“ wo der Impuls aus dem Gehirn vermutet wird und eine Fehlsteuerung der Gesichtsmuskulatur nach sich zieht1, soll hier aufgezeigt werden, dass auch die Leitbahnen selbst durch eine mechanische Ursache zu einem unharmonischen Muskelspiel – also zu Ansatzstörungen führen können.
Gemeint ist der Gesichtsnerv „Nervus facialis“, der VII. Hirnnerv, der für die mimische Gesichtsmuskulatur verantwortlich ist. Wir kennen alle die herabhängende Gesichtshälfte bei einem geschädigten Facialisnerv als Folge eines Schlaganfalls. Auch kleine, bzw. kleinste Kompressionen des N. facialis sind für Bläser eine Katastrophe, worauf mit dieser Beschreibung hingewiesen werden soll.
Die meisten Menschen gehen davon aus, dass der Kopf eine feste Schädelstruktur hat und der Nervus facialis in seinen Gängen vor einer Komprimierung geschützt ist.
Die Osteopathie geht davon aus, dass der Schädel nicht als ein Gesamtknochen zu sehen ist, sondern aus 22 einzelnen Knochenteilen + 6 Gehörknöchelchen zusammengesetzt wird2, die durch die Suturen (Nähte), miteinander verbunden sind. Wie ein Fliesenboden, der bestimmte Dehnungsfugen benötigt, um eine gewisse Bewegungstoleranz aufzufangen. Durch äußerliche Einwirkungen (Sturz / Schlag / Zahn-OP) kann nun dieses Gebilde aus 22+6 Knochen in eine minimale Schieflage geraten, wie es auch bei einem Beckenschiefstand schon bekannt ist. Wenn dieser Zustand bestehen bleibt, werden nach und nach bläserische Probleme für den professionellen Bläser spürbar. Mit dieser Betrachtungsweise können wir Bläser verstehen, dass der N. facialis an seinen Durchtrittsstellen komprimiert werden kann und somit eine große Gefahr für das künstlerische Spiel auf einem Instrument darstellt.
Falls nun durch eine äußere Einwirkung so eine minimale Spannungsveränderung bewirkt wurde und dieser Zustand bleibt, kann die Leitfähigkeit der Nerven dadurch geschwächt werden. Dies kann so minimal sein, dass der Neurologe zunächst keinerlei Auffälligkeiten feststellt, der Berufsbläser aber seine Existenz massiv bedroht sieht.
Die mühsam erarbeitete Feinmotorik, die sich jeder Musiker erwerben muss und bei Blechbläsern diese Feinmotorik in der gesamten Gesichtsmuskulatur, insbesondere im Lippenbereich erarbeitet wurde, wäre gestört. Egal, welcher Muskel im Gesichtsbereich minimale Störungen hat, es wird sich immer im Ringmuskel des Mundes bemerkbar machen.
So eine minimale Störung hat für einen Blechbläser katastrophale Folgen, die er sich nicht erklären kann. Bei einem Blechbläser deshalb, weil die Tonproduzierung ausschließlich von der Feinmotorik sämtlicher Gesichtsmuskeln abhängig und die Lippenmuskulatur als Ansatzergebnis dieser Gesichtsmuskeln als Schwingungserzeuger tätig ist. Bei Holzbläsern, abgesehen von der Flöte, wird die benötigte Schwingung von einem Rohr oder Blatt hervorgerufen, was die Störungsempfindlichkeit mindert.
Der betroffene Bläser sucht zunächst die störende Ursache am Instrument, am Mundstück oder an seinen “vermeintlich falschen“ Einblasübungen.
Wenn dann die Behebung des Problems/Störung aber nicht eintritt, wird evtl. ein Gespräch mit seinem Hausarzt geführt, der seinem Patienten aber meistens nicht helfen kann, da er die Materie auch nicht versteht und den psychischen Zustand des Betroffenen nicht erkennt und ihn oft mit oberflächlichen Aussagen aus der Praxis entlässt. Spätestens jetzt erwächst dann verständliche Panik.

Facialis_Hauptbild

 Der erfahrene Osteopath würde nun nach den Ursachen (Sturz/ Schlag/ Zahnbehandlungen usw.) fragen, um
 die Problematik in der Spannungs-veränderung der Kopfelemente eventuell ausfindig zu machen.
 Mit einer gezielten manuellen Untersuchung würde sich dann entweder die Vermutung bestätigen oder auch
 nicht. Wenn ja, würde er versuchen, die Elastizität in den angrenzenden Schädelnähten zu verbessern,
 um so die Irritation am Nervus facialis zu verringern. Wenn nach den ersten Behandlungssitzungen keine
 Besserung eintritt, kann es sein, dass dies nicht die Ursache ist, aber diese relativ schnelle Möglichkeit
 einer Ursachenfindung sollte ein professioneller Bläser einsetzen, um seine erarbeiteten Fähigkeiten
 möglicherweise zu erhalten.

Suchen Sie in diesem Fall einen erfahrenen Osteopathen, der sich besonders mit dem Kopf und dem Verlauf der Nerven beschäftigt hat. Zeigen Sie diesen Artikel, damit die Dramatik Ihres Anliegens bewusst wird. Erfolge bei professionellen Bläsern wurden unter Beweis gestellt. Bei eindeutigen Problemfällen kann ein Kontakt hergestellt werden.

 

Abb.A Patrick J. Lynch, medical illustrator Lizens: -CC BY 2.5
siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Nervus_facialis

Verlauf des Nervus facialis

Der Ursprung des Nervus facialis Abb. A liegt im Gehirn. Er verläuft dann durch eine Öffnung “Meatus acusticus internus“ Abb. A und B (Eintritt) in einen knöchernen Gang, den “Canalis facialis” Abb. A und D  wo sich ein Teil des Nervus facialis trennt und einen weiteren engen Gang, die “Fissura petrotympanica“ auch Glaser Spalte genannt, durchwandert. Der Hauptteil tritt durch das Felsenbein am “Foramen stylomastoideum“ Abb. A und C (Austritt) in der Nähe der Ohren nach außen.3 Von da zieht er sich durch die Ohrspeicheldrüse, verästelt sich und versorgt die mimische Muskulatur, also alle Muskeln, die für eine Ansatzformung nötig sind.

Die Osteopathie geht davon aus, dass es mehrere Bereiche gibt, wo der N. facialis komprimiert werden könnte. Hauptsächlich wären dies die o.g. Ein- und Austrittsstellen, die Gänge und Kanäle aber auch der mehr periphere Bereich, wie z.B. die Ohrspeicheldrüse als Durchtrittstelle.

 

Facialis_1

 

Um den Weg zu den Gesichtsmuskeln bildlich darzustellen, hier nun einige Abbildungen an einem Schädelmodell. Zunächst der Eintritt des Nervus facialis (Abb. B) in den inneren Gehörgang (Meatus acusticus internus) durch den Porus acusticus internus in das Felsenbein 3. Im Verlauf des Felsenbeins gibt es Verzweigungen (N. petrosus major, N. stapedius und Chorda tympani), die hier aber nicht erwähnt werden, da sie für die Muskelaktivität der mimischen Gesichtsmuskulatur nicht zuständig sind.


Facialis_2

 

Auf Abb. C sehen wir den Austritt (Foramen stylomastoideum) des Nervus facialis bei unserem Schädelmodell, in der Nähe des Ohreinganges (Meatus acusticus externus).


Auf Abb. D sehen wir den Eintritt (Porus acusticus internus) und den Austritt (Foramen stylomasto-ideum). Die gestrichelte Linie soll den knöchernden Gang (Canalis facialis) darstellen.

 

Facialis_3

 

 Nach dem Austritt sehen wir die äußere
 Verästelung des Nervus facialis (gelb
 dargestellt) zu den einzelnen Muskeln,
 siehe Abb. E.

 

 

 

 

                                                                                                        Abb.A Patrick J. Lynch, medical illustrator Lizens: -CC BY 2.5
                                                                                                                                          siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Nervus_facialis

 

Wenn eine Komprimierung des Nervus facialis in seinem Verlauf vorliegt, ist die Leitfähigkeit des N. facialis minimal eingeschränkt, was bedeutet, dass die betroffenen Muskeln nicht die Kraft besitzen, die sie eigentlich haben müssten. Hier wird der mühsam erarbeitete Bläseransatz zum Diagnoseinstrument. Der Nichtbläser wird diese Störungen nicht wahrnehmen. Hauptsächlich betroffen ist der Orbicularis oris (Mundringmuskel), der sich nicht so zusammenziehen kann, wie er es sollte. Der Muskel wird dem Druck des Mundstückes bei einen Blechbläsers nicht lange standhalten. Der Ringmuskel wird dann nur noch platt gegen die Zähne gezogen und es entsteht das Gefühl, als würde der Ringmuskel von oben, neben der Nase, hochgezogen. Dies kann einseitig oder auch beidseitig sein. Auch die Muskel neben der Nase, die dafür verantwortlich sind, dass sich das Lippenrot für den Blechbläseransatz nach innen zieht, können durch eine Komprimierung des Nervus facialis massive Ansatzstörungen auslösen, wie auch die Jochbeinmuskel, die die Mundwinkel nach oben ziehen. Letztendlich ist die gesamte mimische Muskulatur davon betroffen.

Die Wiederherstellung einer minimalen Spannungsveränderung der einzelnen Schädelknochen basiert, wenn es richtig praktiziert wird, auf „Wissen, Fühlen und handwerklichem Können“ und hat mit “Mystik“ nichts zu tun. Natürlich – und das soll hier auch erwähnt werden – gibt es Kritiker, die der Osteopathie skeptisch gegenüber stehen. Es wird in diesem Bereich immer ein „PRO und KONTRA“ geben.

 

1) Vgl. Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin
Hochschule für Musik, Theater und Medien 2017, abgerufen : Jan. 2018
https://www.immm.hmtm-hannover.de/de/forschung/angewandte-klinische-forschung/fokale-dystonie-bei-musikern/

2) Vgl. Thorsten Liem, Kraniosakrale Osteopathie, Ein praktisches Lehrbuch, 5. Aufl. 2010  Georg Thieme Verlag, 
Stuttgart/New York S. 22 u. 177, abgerufen : Jan. 2018
https://books.google.de/books?id=RHCA_LUGyJwC&pg=PA22&lpg=PA22&dq=22+Sch%C3%A4delknochen&source=bl&ots=Sv8E33MCXd&sig=qgsMmsxXcuf-irsbvsINkgIKhso&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjWs-KEyLTYAhWFDOwKHb8HBnsQ6AEIYDAH#v=onepage&q=22%20Sch%C3%A4delknochen&f=false

3) Vgl. Michael Schünke, Erik Schulte, Udo Schumacher, Markus Voll, Karl Wesker, 2015, Prometheus, Kopf, Hals und Neuroanatomie, 4. Aufl.,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York, S. 124

 

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